Führung auf die neue Art
061: Erfolgsfaktoren für die Delegation ans Team
September 6, 2021
Das Problem bei der Delegation sind die Mechanismen der Hierarchie. Ein Chef kann sich dabei noch so viel Mühe geben, mit Delegation in der Hierarchie wird Arbeit nur verliehen und nicht verteilt.
Delegieren ist nicht einfach!
Im Sommer ist mein Garten eine echte Ruheoase. Da habe ich ein feines Schattenplätzchen im Grünen wo ich mich entspannen kann.

Letztes Jahr war zur gleichen Zeit auch die Nachbarin mit Gartenarbeit beschäftigt. Kaum hatte sie mit der Beetpflege angefangen kam die kleine Tochter und wollte unbedingt helfen. Also zeigte die Nachbarin ihrer Tochter ein kleines Blumenbeet, aus dem sie das Unkraut zupfen durfte.

Die Tochter war voll bei der Sache. Alle paar Augenblicke stand sie bei der Mutter und wollte wissen, ob sie das richtige Unkraut herausgerissen hatte. Das ging einige Minuten lang so – ich hatte schon richtiges Mitleid mit der Mutter – da kam die Erlösung in Form der Freundin der Tochter und die beiden spielten im Garten. Ich konnte die Erleichterung der Mutter regelrecht mitfühlen.

Irgendwie kam mir diese Form der Delegation bekannt vor. Selbst wenn man sich große Mühe gibt die Arbeit zu übergeben, sie kommt immer wieder zurück.

Die Feedback-Falle
Oft kommt die Rückdelegation in der unscheinbaren Form einer Bitte um Feedback daher.

Bleibe ich hart und lehne die Bitte ab? Das nutzen clevere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dazu, die Verantwortung abzulehnen, wenn etwas schief läuft. Schließlich waren sie ja bei mir und wollten meinen Rat. Da ich den Rat verweigert hatte, bin ich letztlich auch für die Konsequenzen verantwortlich.

Vielleicht denkst du auch, dass doch nichts dabei ist, wenn man dem Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ein Feedback gibt. Auch hier kann es dazu kommen, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter den gut gemeinten Rat wortgetreu ausführen und sich damit aus der eigenen Verantwortung nehmen. Sie haben ja nur gemacht, was die Führungskraft geraten hat.

Umgekehrt bin ich als Führungskraft nicht immun dagegen, dass mir das Ignorieren meines Rates bedeutungslos ist – insbesondere, wenn der Erfolg ausbleibt. Wem kommt da nicht der Gedanke „hätte sie/er doch auf meinen Rat gehört."

Man könnte ja eine erfahrene Kollegin und Kollegen definieren, die oder der als Feedback-Geber fungieren kann. Das klingt sehr schlau, führt aber aus Sicht der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dazu, dass eine zusätzliche Hierarchie-Stufe entstanden ist. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollen nun nicht mehr zu ihrer Führungskraft, sondern zu der benannten Person gehen.

Das wäre ein Schritt in die falsche Richtung, wir wollen ja einen Schwarm bilden und nicht zusätzliche Hierarchie-Stufen.

Delegation von Arbeit an ein Team
Eine geniale Idee stammt aus der agilen Software-Entwicklung: dort setzt an die Stelle der Führungskraft das Team. Im Team ist grundsätzlich nicht vorgegeben wer Feedback geben darf. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die ein Feedback brauchen, werden ihre Feedback-Geber dynamisch nach der fachlichen Kompetenz und Erfahrung auswählen.

Eine Führungskraft kann mit folgenden drei Erfolgsfaktoren die Delegation der Arbeit an ein Team noch erfolgreicher machen.

Faktor 1: Gemeinsame Ausrichtung
Durch die Delegation an ein Team ergibt sich eine andere Konstellation. Die Führungskraft verhandelt nicht mehr mit jeder einzelnen Mitarbeiterin und Mitarbeiter die Aufgaben, Ziele und Verantwortlichkeiten. Statt dessen stimmt sie mit dem gesamten Team eine Ausrichtung ab.

Statt Ausrichtung werden oft auch Begriffe wie Vision, Mission, Zielbild, Purpose, Zweck, Daseinszweck oder Ziel verwendet.

Wonach soll sich denn nun das Team ausrichten?
Im Idealfall ist ein Team in der Lage einen echten Mehrwert eigenständig zu erzeugen. Ein Mehrwert ist ein Nutzen für einen Kunden. Im besten Fall für einen zahlenden Kunden außerhalb der eigenen Organisation.

Dieser Kunde bildet eine externe Referenz und definiert den Maßstab für Erfolg an dem sich das Team orientieren kann. Die Ausrichtung beantwortet die Frage, welchen Kundennutzen das Team erzeugen soll.

Beispiele für einen Kundennutzen können sein: Einsparungen beim Kunden, verkürzte Wegstrecken der Anwender, begeisterte Schulungsteilnehmer, Wegfall lästiger Arbeit beim Kunden, Geschwindigkeit.

Dagegen sollten interne Maßstäbe vermieden werden. Diese können als Randbedingungen dienen, jedoch lenken sie vom eigentlichen Auftrag des Teams ab.

Beispiele für interne Referenzen wären dagegen: Umsatz, Gewinn, Marge, Ausschuss, Stückzahlen, interne Vorgaben erfüllt. Noch unglücklicher sind interne Maßstäbe, die so subjektiv sind, dass sie nur durch die Führungskraft bewertet werden können. Dahinter steckt dann die Aussage: das Team ist dafür da ihrem Chef zu gefallen. Keine wünschenswerte Botschaft!

Das hört sich sehr nach Messgrößen an. Ja, es macht absolut Sinn den Erfolg regelmäßig zu überprüfen. Wobei die Kriterien nicht unbedingt in Zahlen meßbar sein müssen, es genügt, wenn man Fortschritte feststellen kann.

Die Führungskraft ist dadurch nicht arbeitslos
Fall du schon Sorge hattest, dass das Team die Führungskraft nun nicht mehr braucht, dann kann ich Entwarnung geben. Es ist Aufgabe der Führungskraft dafür zu sorgen, dass die Ausrichtung des Teams zum Rest der Organisation passt. Das erfordert Abstimmungen mit Nachbarabteilungen, der eigenen Führungskraft, querschnittlichen Funktionen, etc.

Darin steckt eine Menge Arbeit, die für das Team von hoher Bedeutung ist.

Faktor 2: Entwickle die Team-Reife
In meiner Praxis habe ich noch niemals beobachtet, dass ein Team von allein zu einem Team mit kollektiver Verantwortungsübernahme geworden ist. Oftmals entwickelt sich das im Laufe der Zeit mit Hilfe eines guten agilen Coaches, SCRUM-Masters o.ä.

Leider konnte ich immer wieder feststellen, dass sich die Führungskraft einfach zurück zieht und dem Team „freie Hand" läßt. Nicht selten taucht dann eine Person aus dem Team auf, die bereitwillig die hinterlassene Lücke füllt. Wenn es schlecht läuft, dann übt diese Person einen sehr autoritären Stil aus.

Pech, der Schuss ist nach hinten los gegangen. Daher empfiehlt es sich immer mit dem Team zusammen an den Team-Fähigkeiten zu arbeiten. Eine gute Basis um die Team-Fähigkeiten zu entwicklen findest du in den Core-Protocols.

Ein reifes Team kann gute Entscheidungen effizient gemeinsam treffen. Sollten sich unerwünschte Konsequenzen abzeichnen, dann wird ein reifes Team die Entscheidungen schnell anpassen. Man erkennt gute Entscheidungen daran, dass jedes Teammitglied hinter den Team-Entscheidungen steht und die Verantwortung mitträgt.

Faktor 3: Transparenz
Damit ist die Offenlegung von allen Informationen gemeint, die für das Team relevant sein könnten. Ebenso legen alle Team-Mitglieder ihre Prioritäten und Resultate offen.

Dies bewirkt, dass sowohl die Führungskraft als auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sich nicht mehr im Schutze der Dunkelheit bewegen, sondern für alle sichtbar agieren. Dem steht die große, unausgesprochene Angst einer Hierarchie entgegen. Die Angst, dass dann Fehler ebenfalls transparent werden und gegen den Verursacher verwendet werden könnten.

In einer klassischen Hierarchie ist diese Angst nachvollziehbar und oft auch berechtigt. In der Zielkonstellation soll Vertrauen diese Angst überflüssig machen. Je nach Vorgeschichte des Teams kann dies ein langer Weg werden oder in kurzer Zeit erreicht werden.

Zusammenfassung
Einen großen Fortschritt erzielst du bei der Delegation von Aufgaben an ein Team. Sorge als Führungskraft für Ausrichtung, Entwicklung der Teamreife und allseitige Transparenz im Team.

Auf dieser Grundlage kann die Führungskraft Verantwortung mit gutem Gewissen an das Team abgeben und damit eine echte Entlastung erreichen.